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Warum ich aufgehört habe, nach Anleitungen zu stricken - und warum du es mir nachmachen solltest

Stricken ist wie Kochen. Mit den richtigen Zutaten und einem tollen Rezept wirst du zum Meisterkoch. Stimmt das auch fürs Stricken?

Nach Anleitung stricken ist nichts für Weicheier

In Wahrheit macht es viel mehr Mühe, nach einer Anleitung zu stricken als ohne. Wenn du dir einbildest, du kannst einfach Wolle, Nadeln und Anleitung nehmen und anfangen, bist du auf dem Holzweg. Die einfachste Methode ist: schau dir das Bild an, mach eine Maschenprobe und fange an.

Warum ich aufgehört habe, nach Anleitungen zu stricken - und warum du es mir nachmachen solltest

Okay.

Ich schreibe auch Anleitungen. Die kannst du sogar kaufen. Zum Beispiel bei Ravelry oder LoveCrafts.

Dagegen habe ich mich aber lange gewehrt.

Soll ich dir was verraten.

Für meinen Geschmack machen Anleitungen keinen Sinn.

Wer strickt schon wie der Designer

Du siehst die Bilder von der Anleitung und findest das Modell ganz toll.

Das geht mir auch oft so.

Aber.

Wenn du genau nach Anleitung vorgehst, dann hat dein fertiger Pulli vielleicht - und nur vielleicht - genau die Maße wie in der Anleitung.

Passt dir das dann?

Sicher nicht.

Hast du die gleiche Figur wie ich? Oder wie die Designerin von deinem Wunschprojekt?

Warum solltest du dann sklavisch genau die Ab- und Zunahmen, die Maschenzahl am Anschlag oder die Tiefe vom Armausschnitt oder dem Halsloch nacharbeiten?

Wenn dir das dann hinterher sowieso nicht passt?

Die Anleitung ist nur dafür da, die Leserin, also dich, dazu zu bringen das Material zu kaufen, das bei diesem Modell verwendet wurde.

Du kaufst es auch brav, weil du davon überzeugt bist, dass du in dem Pulli dann genauso aussiehst wie das Fotomodell auf dem Bild.

Und in den Hinweisen im Anleitungsteil wird immer darauf aufmerksam gemacht, dass du die Maschenprobe genau einhalten sollst.

Was passiert dann?

Dein Pulli hat die Maße vom Schnitt.

Aber nur wenn du Glück hast.

Passt dir dieser Schnitt überhaupt?

Ist die Form überhaupt richtig für dich?

Wenn du das nicht überprüft hast, dann ist das noch schlimmer, als etwas zu kaufen, das du nicht anprobiert hast.

Du kannst es nämlich nicht zurückgeben.

Du kannst es nur auftrennen. Und dann war die ganze Arbeit vergebens.

Neumodischer Kram - oder alte Zöpfe

Seit Neustem kursieren im Internet massenhaft Anleitungen, bei denen die Pullis oder Jacken am Stück ohne Naht von oben gestrickt werden.

Die neuste Erfindung:
Seamless-Top-Down-Sweater

Ich bin bestimmt für Innovationen. Nur was ist daran neu?

Ich habe Anleitungen aus den 50er-Jahren, bei denen auch so gearbeitet wurde.

Bei denen steht dann der Hinweis, dass dieses Modell nach einem Schnitt gearbeitet wird.

Früher wurde das so gemacht.

Die Anleitung hat eine detaillierte Schnittskizze. Die solltest du 1:1 auf Schnittpapier übertragen und dann damit arbeiten.

Dieses Wissen oder Können scheint leider völlig verloren gegangen zu sein.

Dann kannst du nämlich nicht mit den Nadeln und der Wolle gleich anfangen. Du müsstest erst das Schnittmuster herstellen.

Beim Nähen machst du das doch auch. Warum macht das dann beim Stricken keiner?

Wenn ich den Vorschlag mache, so vorzugehen, muss ich mir doch tatsächlich anhören

Das kann ich nicht. Das machen doch sicher Sie für mich.

Sicher nicht!

Wenn du mit einem Schnitt arbeitest, dann ist auch das von oben nach unten Stricken kein Problem.

Aber ohne Schnitt?

Nur nach Anleitung?

Da hast du nur die Möglichkeit, dein Projekt genau so zu Stricken, wie es in der Anleitung steht.

Und das ist oft eine wahre Herausforderung mit gefühlten hundert Maschenmarkierern und Ab- und Zunahmen, deren Sinn und Zweck sich während dem Stricken oft nicht erschießt.

Wenn du von oben am Stück strickst, ist es so gut wie unmöglich die Anleitung für deine Maße anzupassen.

Schau dir die Bilder von diesen Projekten genau an.

Den Strickerinnen, die die Anleitungen gekauft und nachgestrickt haben, passen die Modelle niemals so wie der Designerin.

Die Schultern sind zu breit oder zu eng.

Am Armausschnitt gibt es Falten oder die Strickerin stemmt die Hände in die Hüften, damit das Strickstück möglichst gerade wie ein Panzer fällt.

Dann kannst du die Form kaum beurteilen.

Und wie hat meine Oma schon gesagt.

Papier ist geduldig. Und das Internet ist noch geduldiger. Da gibt es nämlich Filter.

Die Bilder werden mit dem Handy so oft neu fotografiert und gephotoshopped, bis es für den Bildschim von 360x640 Pixel optimal aussieht.

Anleitungen schreiben macht eine Schweinearbeit

Was glaubst du, wie lange sitze ich, bis eine Anleitung aufgeschrieben ist?

Fast so lange wie ich fürs Stricken gebraucht habe. Oder sogar noch länger.

Da gibt es ein Strickstück.

Das ist schon fertig.

Und jetzt möchtest du, dass sich jemand (also ich) hinsetzt und mit Lupe und Taschenrechner alle Maschen aufschreibt, die vor langer Zeit bei der Fertigstellung im Geiste bereits abgehakt wurden.

Und das dann noch in mindesten vier Größen umrechnet und noch wenigstens ins Englische übersetzt.

Gibts da eine Anleitung?
Do you have a pattern?

Sogar Amerikanerinnen haben sich schon in meinen Laden verirrt.

Die sind ja von Natur aus immer überschwänglich und begeistert.

Da ist alles lovely, really great und so beautyful.

Trotzdem ist die erste Frage die nach der Anleitung von dem Modell, das sie besonders toll finden.

Nein.

Da gibt es keine Anleitung. Und schon gar nicht auf Englisch.

Das ist meine Erfindung.

Und das Modell hängt auf dem Ständer oder steht im Schaufenster, damit du siehst, was du aus dieser oder jener Wolle stricken kannst.

Du darfst gerne kommen und ein Foto machen.

Du kannst auch jedes Detail genau anschauen und jedes Stück auf Links drehen.

Damit kannst du das Modell nachstricken.

Nehme deine Maße, deine Maschenprobe und die Anregung und stricke.

Wenn du das nicht kannst, dann würde dir auch die Anleitung nicht helfen.

Zumindest nicht, um es für dich passend zu stricken.

Du hast weder meine Preisboxerarme noch meine zwergenhafte Statur.

Und schließlich willst du für dich stricken und nicht für mich.

Modelle sind Anregungen und kein Kochrezept

Willst du stricken ohne Herausforderung?

Dann stricke Schals oder Socken.

Für Pullis und Jacken musst du schon in Kauf nehmen, dass du dich erst mit deinem neuen Projekt beschäftigen musst.

Du kannst nicht einfach anfangen.

Kannst du schon.

Aber nur wenn du gerne auftrennst oder deine Strickstücke verschenkst, wenn sie dir nicht passen.

Mit der Anleitung kaufst du die Idee und kein Rezept.

Damit aus der Idee dein individuelles Strickprojekt wird, kannst du nur selber Maschenprobe stricken, messen und rechnen.

Zumindest wenn es um Kleidung geht, die dir passen soll.

Die Anleitung zeigt dir natürlich genau, wie die Designerin oder ich das Modell erstellt hat.

Wo ich welche Abnahmen oder verkürzte Reihen gestrickt habe und welches Muster verwendet wurde.

Oder glaubst du, ich habe das Muster neu erfunden?

Habe ich nicht. Und auch keine der anderen Entwürfe, von denen du die Anleitung kaufst, hat neu erfundene Muster.

Sticken besteht immer noch nur aus rechten und linken Maschen.

Bisher konnte ich jedes Muster von einem neuen Modell in einem meiner Musterbücher finden.

Vielleicht wurde der Rapport leicht verändert oder die verschiedenen Muster wurden anders zusammen gestellt.

Das ist dann aber nicht bahnbrechend neu wie die Erfindung von Raketen oder der Atombombe.

Um das Rechnen kommst du nicht drumherum

Auch mit Anleitung musst du dir zuerst überlegen, wie du deinen neuen Pulli gerne haben willst.

Das heißt, du musst sowieso an dir nachmessen, wie du die Passform und den Schnitt gerne haben willst.

Eine Anleitung macht dir dafür nur einen Vorschlag, wie dieses eine Strickstück von derjenigen, die es angefertigt hat, gearbeitet wurde.

Das solltest du dann für dich im Einzelfall überprüfen und nachrechnen.

Das heißt, messen musst du sowieso und rechnen auch.

Warum solltest du dann eine Anleitung kaufen, nach der du dann sowieso nicht genau arbeiten kannst.

Und warum sollte ich mir dann die Mühe machen und jede Masche, die ich vor langer Zeit gestrickt habe, aufschreiben, um dir zu zeigen, wie ich es gemacht habe.

Wenn du es dann sowieso nicht verwenden kannst.

Zugegeben. Wenn das Modell ein kompliziertes Muster hat, das nicht oder nur unzureichend auf den Bildern erkennbar ist, dann erleichtert die Anleitung das Nacharbeiten.

Dann musst du aber immer noch den Rapport berücksichtigen und auch noch überprüfen, ob du mit deiner Maschenprobe überhaupt so hinkommst.

Eigentlich ist es da doch einfacher, ein Muster zu nehmen, das dir gefällt und mit deiner Maschenprobe und einer einfachen Schnittskizze dir dein Modell selber auszudenken.

Keine Regel ohne Ausnahme

Du fragst dich sicher, wie du vorgehen sollst, wenn du ein Modell, das du in einer Zeitschrift, einem Buch oder im Internet findest, nachstricken willst.

Dafür gibt es verschiedene Ansätze, wie du anfangen kannst.

Der unkomplizierte Weg: Kauf die Anleitung als Anregung.

Das ist auf jeden Fall einfacher, als zu versuchen, mittels Zoom und Screenshots herauszufinden, wie genau das Muster geht.

Dann hast du eine Strickschrift und weißt, wie viele Maschen der Rapport hat und wie genau die Schnittführung ist.

Kaufst du die Anleitung nicht, dann musst du das erst recherchieren.

Du musst versuchen herauszufinden, wie das Muster genau geht und ob das Modell eine Taillierung hat oder ob es rund oder in Einzelteilen gestrickt wurde.

Diese Mühe kannst du dir sparen, wenn du die Anleitung vorliegen hast.

Du brauchst natürlich auch das Material und das Handwerkszeug. Das heißt Wolle, die Nadeln und den restlichen Kram wie Maßband, Stift, Papier und den Taschenrechner.

Und so ist bei mir dann der Workflow um einen Pulli nach Anleitung zu stricken:

  • Maschenprobe im Muster aus der Anleitung stricken.
  • Maße aus der Anleitung mit meinen eigenen vergleichen.
  • Maschenprobe messen.
  • Mit der Maschenprobe und den Maßen bestimmen, wie weit mein Pulli am Anschlag werden soll.
  • Ausrechnen, wie viele Maschen ich dafür anschlage.
  • In der Anleitung schauen, ob es eine Größe gibt, die mit meiner Maschenzahl übereinstimmt.

So. Das wars schon für den Anfang. Jetzt kann ich starten und das Rückenteil für meinen neuen Pulli anschlagen.

Wenn du ebenfalls so vorgehst, dann solltest du während dem Stricken immer wieder die Maße überprüfen.

Hast du das erste Stück bis zum Armausschnitt geschafft, dann kannst du im nächsten Schritt bestimmen, wie dein Armausschnitt aussehen soll und diesen ausrechnen.

Alternativ kannst du dir auch mit deinen Maßen einen Armausschnitt aus der Anleitung aussuchen, der mit deiner Maschenzahl übereinstimmt.

Wie ich das mache, habe ich dir schon einmal detailliert für einen ganzen Pulli beschrieben.

Nach einem Bild arbeiten ist auch eine Option.

Schau dir das Bild an und mache eine Schnittskizze.

Notiere dir darin deine Maße.

Nehme ein Musterbuch und such dir das Muster aus, das dem Modell entspricht oder am ähnlichsten ist.

Stricke eine Maschenprobe in dem Muster und schaue dir an, ob dir das so gefällt.

Messe deine Maschenprobe und rechne deinen Maschenanschlag mit der Weite aus deiner Schnittskizze aus und fange an zu stricken.

Da Stricken ein Prozess ist, hast du damit den ersten Schritt getan, um dir einen neuen Pulli anzufertigen.

Der wächst dann mit jeder Masche und Reihe und wird dann so, wie du ihn dir vorgestellt hast.

Du siehst, es gibt verschieden Möglichkeiten, wie du ein neues Strickprojekt anfangen kannst.

Egal ob mit oder ohne Anleitung oder einfach nach deinem eigenen Entwurf.

Es gibt keine Pflicht, das eine oder das andere zu tun.

Das ist wie beim Eiskunstlauf. Da wurde die Pflicht schon vor 30 Jahren abgeschafft.

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